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Christoph Eschenbach
© Eric Brissaud

Manfred Honeck ist neuer Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker

Seit 32 Jahren ist Dirigent Manfred Honeck regelmäßiger Gast bei den Bamberger Symphonikern. Im November 2023 ernannte ihn das Orchester zum Ehrendirigenten. Damit ist Manfred Honeck - nach Eugen Jochum, Horst Stein, Herbert Blomstedt und Christoph Eschenbach - der fünfte Dirigent, dem diese Auszeichnung zukommt.
Ehrendirigenten gebührt zu Recht ein besonderer Platz in der Chronik eines Orchesters. Denn nicht selten stehen gerade sie für eine ganze Ära, die über ihre Amtszeit hinaus auf das Renommee des Orchesters eine große Wirkung haben.
Die Zusammenarbeit von Manfred Honeck und den Bamberger Symphonikern begann in den 1980er Jahren, also gerade zu Beginn seiner Dirigentenkarriere. Auch seine ersten CD-Aufnahmen überhaupt machte er dann Anfang der 90er Jahre in Bamberg. Manfred Honeck sagt über seine Beziehung zu dem Orchester: „Mit Dankbarkeit blicke ich zurück auf die vielen Jahre, in denen ich mit den Bamberger Symphonikern immer wieder zusammengearbeitet habe. Sie haben mich schon als jungen Dirigenten maßgeblich unterstützt, was mir nach wie vor viel bedeutet. Ich schätze das Orchester und seine Qualität in höchstem Maße und es bereitet mir immer große Freude gemeinsam zu musizieren. Ich fühle mich geehrt, nun als ‚Benjamin‘ in den illustren Kreis der Ehrendirigenten eintreten zu dürfen.“
Seither gab es insgesamt 109 gemeinsame Konzerte, die meisten davon in Bamberg. Die Bamberger Symphoniker sind ebenfalls regelmäßig bei den Internationalen Wolfegger Konzerten zu erleben, dessen Künstlerischer Leiter Manfred Honeck ist. Das Orchester möchte mit dem Titel des Ehrendirigenten die sehr fruchtbare, jahrzehntelange Partnerschaft mit Manfred Honeck offiziell würdigen, weiter ausbauen und intensivieren.

Baumeister einer musikalischen Enzyklopädie

Die Bamberger Symphoniker und ihre Ehrendirigenten Herbert Blomstedt und Christoph Eschenbach
von Wolfgang Sandner

Er besitzt keine feste Position, nicht einmal ein Ehrenamt. Pflichten oder besondere Aufgaben gibt es für ihn auch nicht. Selbst Gotteslohn – wie für ein gemeinnütziges Engagement – darf er nicht erwarten. Und doch ist es die Krönung für einen Orchesterchef. »Ehrendirigent« ist eine Auszeichnung. Sie gilt als so kostbar, dass sich manches Ensemble scheut, den Titel überhaupt zu vergeben. Diejenigen, denen er angetragen wird, befinden sich deshalb auch in einer kleinen, feinen Gesellschaft, die Außergewöhnliches geleistet, ein Orchester geprägt, künstlerisch hörbar vorangebracht, kontinuierlich begleitet, in schwierigen Zeiten unterstützt und ihm buchstäblich in allen Fällen die Treue gehalten hat. Keine Frage, so etwas hat Folgen.

© Todd Rosenberg

Manfred Honeck gilt als einer der weltweit führenden Dirigenten, dessen unverwechselbare und richtungsweisenden Interpretationen international auf große Anerkennung stoßen. Als Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra steht er bereits in seiner sechzehnten Spielzeit.

 

 

 

Herbert Blomstedt
© Martin UK Lengemann

Wenn von charakteristischen Eigenschaften eines bedeutenden Klangkörpers die Rede ist, einer ästhetischen Physiognomie, die das Orchester von anderen Ensembles unterscheidet, dann stößt man bei den Urhebern solcher Prägungen naturgemäß auf jene Handvoll Künstler, denen – meist nach ihrem festen Engagement, nicht unbedingt jedoch am Ende der Zusammenarbeit – ein solcher Titel verliehen wurde. In den Annalen eines Orchesters gebührt den Ehrendirigenten zu Recht ein Sonderplatz. Denn nicht selten stehen sie für eine ganze Ära, die über die reale Amtszeit hinaus Wirkung zeigt – als Image und guter Ruf, gelegentlich sogar mit genetischem Befund. In dieser Hinsicht gebührt zwei Orchestern und ihren Ehrendirigenten eine besondere Erwähnung: den Philharmonikern aus St. Petersburg, dem ältesten russischen Orchester, sowie dem Philadelphia Orchestra. Ein halbes Jahrhundert – von 1938 bis zu seinem Tod im Jahr 1988 – hat Jewgenij Mrawinsky die Philharmoniker seiner Vaterstadt geleitet und zum führenden symphonischen Ensemble der Sowjetunion geformt. Eine so lange ununterbrochene Verbindung eines Dirigenten zu einem einzigen Orchester hat es wohl in der Musikgeschichte nicht noch einmal gegeben. Aus gutem Grund wurden die Philharmoniker deshalb – man könnte auch sagen: erbgutmäßig korrekt – als Mrawinsky-Orchester bezeichnet. Oder als Schostakowitschs Symphoniker. Denn kein anderer Komponist hat mehr von der unangestrengten Autorität des Chefdirigenten Mrawinsky und dem künstlerischen Niveau des St. Petersburger Orchesters profitiert als Dmitri Schostakowitsch, dessen fünfte, sechste, achte, neunte und zehnte Symphonie in der Stadt an der Newa uraufgeführt wurden. Etwas Ähnliches lässt sich auch für das Philadelphia Orchestra sagen. Dass es seinen typisch brillanten Breitwandklang so lange bewahren konnte, hängt sicherlich damit zusammen, dass ihm in seiner nunmehr fast hundertzwanzigjährigen Geschichte nur acht Chefdirigenten vorgestanden haben. Der dritte und vierte von ihnen, Leopold Stokowski und Eugene Ormandy, polnisch-irischer Abstammung der eine, ungarischer der andere – und selbstverständlich beides Ehrendirigenten des Ensembles –, haben das permanente Mitglied in den »Big Five« unter Amerikas Symphonieorchestern zusammen nicht weniger als siebzig Jahre lang geleitet. In seinen letzten Jahren wird Ormandy vermutlich nur noch geblinzelt haben, und die Musiker wussten, worum es sich bei diesem Zeichen handelte und wann sie einzusetzen hatten. Als der italienische Dirigent Riccardo Muti im Jahr 1980 von Eugene Ormandy die Leitung des Orchesters übernahm, wird er wohl instinktiv erkannt haben, dass man hier nicht einfach zur musikalischen Tagesordnung übergehen darf. Als er die Garderobe seines Vorgängers in der Academy of Music bezog, dem alten Haus des Ensembles zur damaligen Zeit an der Locust Street, da ließ er – so zumindest die nicht verbürgte, gleichwohl hartnäckig sich haltende Legende – das Namensschild Ormandys an der Tür nicht austauschen. Muti wollte wohl die vierundvierzig Jahre ungebrochener Tradition nicht einmal durch diesen simplen Schilderwechsel an der Tür stören. Es gibt unzählige solcher Geschichten von Dirigenten, die in langen Jahren zu prägenden Gestalten ihrer Ensembles wurden – als Orchestererzieher, Klangformer und nicht zuletzt als Symbolfiguren einer ästhetischen Haltung für die Öffentlichkeit. Beim Philadelphia Orchestra hat auch Wolfgang Sawallisch, der Nachfolger Riccardo Mutis, mit seiner künstlerischen Souveränität, gepaart mit einem landesüblich hoch geschätzten Pragmatismus, großen Eindruck hinterlassen. In Erinnerung blieb vor allem ein Konzert, das auszufallen drohte, weil einige Orchestermusiker im wetterbedingten Verkehrsstau der Stadt stecken geblieben waren. Sawallisch hielt sein Publikum bei Laune, indem er sich zur Überbrückung der Wartezeit kurzerhand ans Klavier setzte und Sänger mit Opernarien begleitete. So etwas könnte man auch von Christoph Eschenbach erwarten, einem Ehrendirigenten der ganz besonderen Art bei den Bamberger Symphonikern. Denn Eschenbach, ein Dirigent und Orchestererzieher von außerordentlichem Rang, im übrigen selbst wiederum Nachfolger von Sawallisch beim Philadelphia Orchestra, gilt als ebenso versierter Pianist, Kammermusiker und Pädagoge. Bisweilen kann man durchaus bedauern, dass der viel beschäftigte Mann am Pult so wenig Zeit findet, seine anderen musikalischen Talente entsprechend auszuleben. In jedem Fall aber dürfte ihm nicht schwer fallen, sein Publikum solistisch mit Chopinschen Nocturnes, mit Mozart-Arien oder Liedern von Aribert Reimann zu erfreuen. Und das nicht nur zur Überbrückung unfreiwilliger Konzertverzögerungen bei Verkehrsstau, der in Bamberg allerdings weit weniger zu befürchten ist als in amerikanischen Metropolen. Als Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker ist Christoph Eschenbach zudem ein Sonderfall. Denn er war – das verbindet ihn auch mit Herbert Blomstedt – nie Chefdirigent des Orchesters. Aber die Zusammenarbeit mit den Symphonikern begann für den Pianisten Eschenbach schon im Oktober 1965, sein Einstand als Dirigent folgte dann im Jahr 1977. Seither hat er das Orchester nicht nur kontinuierlich in Bamberg dirigiert, sondern mit ihm höchst erfolgreich Tourneen in die Vereinigten Staaten, nach Südamerika, Japan, Frankreich, Österreich, Ungarn, ins Baltikum und 2016 unter anderem in den Oman unternommen. Nahezu zweihundert Mal stand er in diesem halben Jahrhundert am Pult des Orchesters, mit dem ihn wahrlich eine große Künstlerfreundschaft verbindet. So ist es nur konsequent, dass Eschenbach vor zwei Jahren, als ihm der ebenso renommierte wie hoch dotierte Ernst.-von-Siemens-Musikpreis verliehen wurde, im Münchener Herkulessaal mit den Bamberger Symphonikern konzertierte. Die lange Zusammenarbeit mit Christoph Eschenbach hat für die Bamberger Symphoniker in vielerlei Hinsicht Früchte getragen und das Ensemble geprägt. Sicherlich hat das Orchester dabei von der außergewöhnlichen Karriere profitiert, die der 1940 in Breslau geborene Pianist und Dirigent – gefördert von Herbert von Karajan und George Szell – in der deutschen Provinz begann und in unterschiedlichsten Zentren der musikalischen Welt zur Meisterschaft brachte: von Houston, Chicago, Philadelphia und Washington bis London, Zürich, Paris, Hamburg, Mailand und demnächst als Chefdirigent des Konzerthauses von Berlin.

Vor allem aber hat man in Bamberg viel von dem Universalisten Eschenbach profitiert, dem die Musik des achtzehnten Jahrhunderts so vertraut ist und so am Herzen liegt wie die Musik des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die Frage, ob man Musik der Avantgarde gespielt haben muss, um auch die Musik der Vergangenheit besser interpretieren zu können, hat Pierre Boulez, der es wissen musste, einmal bejaht. Wer die Klangbalance von Ligeti und die Rhythmik von Stockhausen beherrsche, sei auch für Klassik besser gerüstet. Für diese These kann man auch Christoph Eschenbach in den Zeugenstand rufen. Vor allem bei viel gespielten Werken von Klassik und Romantik hat man hier stets das Gefühl, die Strukturanalysen der zeitgenössischen Musik hätten sich segensreich auf die ältere Musik ausgewirkt, etwa bei Schumanns Symphonien, die man selten so klar, transparent und klangschön zu hören bekommt, wie wenn sie von Eschenbach interpretiert werden. Die Gesamteinspielung aller Symphonien gehört da sicherlich zu den herausragenden Ereignissen in der Zusammenarbeit zwischen Eschenbach und den Bamberger Symphonikern. Mittlerweile aber ist fast schon so etwas wie eine virtuelle musikalische Enzyklopädie zusammengekommen, die mit dem Orchester erarbeitet wurde; angefangen von den Mozart-Konzerten, die Eschenbach vom Flügel aus leitete, über Beethoven, Schubert, Brahms und Bruckner bis zu Gustav Mahler und weit in die Musik der Zukunft. Zu den Sternstunden gehören sicherlich auch die Cellokonzerte von Schostakowitsch und Lutoslawski mit Heinrich Schiff als Solisten oder Alfred Schnittkes fünftes Concerto grosso mit dem Geiger Gidon Kremer. Es spricht einiges dafür, dass diese Enzyklopädie künftig noch schneller wachsen wird. Denn Christoph Eschenbach hat nach dreißig Jahren als Musikdirektor bedeutender amerikanischer Orchester den Schwerpunkt seiner Aktivitäten wieder nach Europa verlegt. Da darf sich auch Bamberg auf noch mehr künstlerische Nähe zu Eschenbach schon vorfreuen. Die Beziehung zu Christoph Eschenbach ist eine feste Größe in Geschichte und Gegenwart der Bamberger Symphoniker. Eine ähnliche Konstante bildet die Beziehung zu einem anderen großen Dirigenten, der wie Eschenbach hohes Ansehen bei allen Orchestern von Rang in der gesamten musikalischen Welt genießt. Herbert Blomstedt, in Amerika geborener Schwede des Jahrgangs 1927 und damit der heute älteste noch aktive Dirigent weltweit, hat in seiner langen Karriere seit 1954 – wo auch immer er tätig gewesen ist, selbst als regelmäßig engagierter Gast – bleibenden Eindruck als eminenter Orchestererzieher hinterlassen. Seine Nachfolger, etwa Michael Tilson Thomas beim San Francisco Symphony Orchestra bis heute oder Riccardo Chailly beim Gewandhausorchester in Leipzig, fanden stets ein bestens trainiertes und hoch motiviertes Orchester vor. Kein Wunder, dass Blomstedt den Titel eines Ehrendirigenten fast von jedem Orchester erhielt, mit dem er länger zusammen gearbeitet hat: in Tokio und San Francisco, dort im übrigen als erster Dirigent überhaupt, in Stockholm, Kopenhagen, Dresden, Leipzig, schließlich 2006 von den Bamberger Symphonikern wo er 1982 erstmals am Pult erschienen war und mit denen er mittlerweile ebenso wie Christoph Eschenbach an die zweihundert Konzerte, auch bei zahlreichen Auslandsgastspielen, gegeben hat. Die hohe Wertschätzung bei Symphonieorchestern weltweit hat selbstverständlich in erster Linie künstlerische Gründe. Blomstedt ist ein akribischer musikalischer Exeget, der nie im Klangrausch versinkt, seine Ohren vor allem auf eine klar erkennbare Struktur ausrichtet, was nicht zuletzt auch orchestralen Großformen wie den Symphonien Anton Bruckners oder den schier vegetativ wuchernden Organismen in den Werken von Jean Sibelius zugute kommt. Fast hat es den Anschein, als würde Bruckners »Projektion der symphonischen Idee ins Monumentale« allein durch die Perfektion des Zusammenklangs und die Ökonomie der Schlagtechnik Blomstedts gebändigt. Bei allem aber, was Blomstedt mit einem Orchester wie den Bamberger Symphonikern gelingt, wird sein unbedingter Ausdruckswille spürbar, hinter dem sich ein strenges Arbeitsethos verbirgt. Das eigentlich Erstaunliche ist freilich, dass Blomstedt außergewöhnliche musikalische Leistungen auszulösen vermag, ohne jenes Verhalten an den Tag zu legen oder all jene Eigenschaften zu besitzen, von denen die Öffentlichkeit glaubt, sie seien für einen Dirigenten grundlegend. Vermutlich möchten manche einen prototypischen Dirigenten nicht einmal mit einer Eigenschaft in Verbindung bringen, wofür er sinnbildlich steht: dass er taktvoll ist. Dirigenten, große zumal, stellt man sich unerbittlich vor, exzentrisch, extrovertiert sowieso, mit sichtbarer Kraftentfaltung. Sie dürfen preußisch sein, Strategen, Türme in irgendwelchen musikalischen Schlachten. Herbert Blomstedt aber ist all das nicht, was möglicherweise zum oberflächlichen Image seines Berufsstandes gehört, vielmehr das genaue Gegenteil, ein untheatralischer, uneitler, sachbezogener Anwalt der Komponisten, ein freundlicher, liebenswerter Zeitgenosse zudem. Und ein großer Künstler. Wer in Bamberg wüsste das nicht und rechnete nicht auch in Zukunft mit ihm!

»Wie ein alter Meister mit Goldrahmen« 
Herbert Blomstedt im Portrait

»Eine alte Liebe, immer wieder neu«
Christoph Eschenbach im Portrait